Balkanblut Thriller by Andy Lettau

Balkanblut  Thriller by Andy Lettau

Autor:Andy Lettau [Lettau, Andy]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426434109
Herausgeber: Knaur e-books
veröffentlicht: 2015-02-28T05:00:00+00:00


Rogowski trank einen Schluck Bier und lehnte sich zurück. Sie zog die Beine an und stützte ihren Kopf ab. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, ohne dass sie wusste, warum das so war. Die Bilder der Nacht mit Milosevic attackierten ihren Verstand; umkreisten sie wie unendliche Reflexionen in einem Spiegellabyrinth, durch das zwei Personen sich in unendlicher Wiedergabe des eigenen Abbilds sahen. Erst als ein Gas gebendes Motorrad auf der Straße den Ritt ins Gestern störte, löste sich die Erinnerung auf und wich Ernüchterung und der Dankbarkeit darüber, dass das sexuelle Intermezzo kein Nachbeben haben würde. Sie hielt Milosevics Botschaft über die Flamme ihres Feuerzeugs und sah dabei zu, wie das Blatt Papier langsam über dem Aschenbecher abbrannte, bis nur noch schwarze Asche übrig blieb.

Sie wartete einen Moment ab, zündete sich eine weitere Zigarette an und betrachtete Bokans Umschlag. Dann öffnete sie ihn und schüttete den Inhalt auf den Tisch. Es waren drei Fotos, Abzüge in DIN A4, schwarz-weiß. Sie trugen jeweils ein Datum in der linken unteren Ecke: 06-12-1991

Daneben war sekundengenau die Uhrzeit vermerkt. Mit zittriger Hand arrangierte Rogowski die Fotos in ihrer zeitlichen Reihenfolge. Die anscheinend vergrößerten Ausschnitte zeigten ein und dieselbe Person in Nahaufnahme. Die Person trug eine Armeeuniform und zielte mit einer Waffe auf den Kopf einer zweiten Person, die am Boden kniete und nur von hinten zu sehen war. Das erste Bild wurde durch einen in der Mitte verlaufenden Fensterrahmen geteilt. Unterhalb waren Dachschindeln zu erkennen. Die Aufnahme musste von einem erhöhten Punkt, wahrscheinlich von einem gegenüberliegenden Haus, gemacht worden sein. Das zweite Bild hatte die gleiche Aufteilung wie das erste und war etwas verwackelt. Die Kamera hatte genau jenen Moment festgehalten, in dem ein Schuss gefallen war. Mündungsfeuer war zu erkennen und diffuse kleine Teile, die vom Kopf der knienden Person wegschleuderten.

Das dritte Bild zeigte die Person mit der Waffe im Porträt. Es war eine Schützin. Eine Frau. Eine bildhübsche Frau. Es war die junge Zdenka Badric; aufgenommen an jenem Abend in Vukovar in dem kalten Zimmer, als Zlatko den Befehl zur Exekution des alten Mannes gegeben hatte.

Rogowski hatte das Gefühl, sich jeden Moment übergeben zu müssen. Um sie herum begann sich alles zu drehen, ihre Wohnungseinrichtung erzeugte überlappende Bilder. Sie kehrte zurück in das Geschehen und sah den Alten vor sich knien, während Zlatko und Milan etwas abseits standen und auf den tödlichen Schuss warteten. Sie konnte sich nicht mehr erinnern, wie viele Meter die beiden Soldaten von ihr weggestanden hatten, aber welche Rolle spielte das schon? Anscheinend hatte der unbekannte Fotograf genau jenen Bildausschnitt in der Linse gehabt, welcher die Tat wie die eines Einzeltäters aussehen ließ.

Wer hatte diese Fotos gemacht?

Rogowski ging hinaus und schnappte nach frischer Luft. Obwohl sie erst vor kurzem geduscht hatte, schwitzte sie aus allen Poren. Ihr Herz raste und sie war kaum in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Schemenhaft erkannte sie die Passanten und Lokalbesucher, die den Tag ausklingen ließen und auf der Suche nach Unterhaltung und Bekanntschaften waren. Vereinzelt schoben sich langsam fahrende Autos als unscharfe röhrende Farbkleckse über den Untergrund.



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